Am 26. Juli 2023 wurde das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit werden u.a. Corona-bedingt eingeführte Austauschregeln bei Lieferengpässen zum 1. August 2023 weitgehend verstetigt. Dies gilt allerdings nicht für alle Regeln. Einen vergleichenden Überblick über die bisherigen und zukünftigen Austauschregeln finden Sie in diesem Beitrag.
Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung hatte während der Corona-Pandemie zur Vermeidung unnötiger Kundenkontakte weitgehende Austauschmöglichkeiten für Fälle geschaffen, in denen Arzneimittel nicht in der Apotheke vorrätig bzw. nicht lieferbar sind. Diese Regeln wurden zunächst unverändert ins SGB V übernommen – allerdings mit einer befristeten Gültigkeit bis zum 31. Juli 2023 (wir berichteten in Kammer aktuell 30/2023 vom 15.05.2023). Da Lieferengpässe nach wie vor ein großes Problem für die Arzneimittelversorgung sind, wurden viele Regeln durch das ALBVVG nun verstetigt, um den Handlungsspielraum der Apotheken im Falle der Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln zu erweitern. Die verstetigten Regeln gelten nahtlos ab dem 1. August 2023.
Den Wortlaut der bisherigen und zukünftigen Regelungen finden Sie in dieser vergleichenden Gegenüberstellung.
Was bedeutet das für die Praxis?
Ein nach Maßgabe des Rahmenvertrags abzugebendes Arzneimittel darf ab dem 1. August 2023 nur noch gegen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgetauscht werden, wenn es nicht lieferbar (also nicht verfügbar) ist. Während der Corona-Pandemie war ein Austausch auch bei Nichtvorrätigkeit möglich. Eine Nichtverfügbarkeit liegt vor, wenn das Arzneimittel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit besorgt werden kann. Dazu sind zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen zu stellen. Wird die Apotheke nur von einem Großhändler beliefert, reicht eine Anfrage.
Nach wie vor dürfen Apotheken ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt im Hinblick auf Folgendes von der Verordnung abweichen, sofern hierdurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:
- die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung maßgeblichen Messzahl,
- die Packungsanzahl,
- die Abgabe von Teilmengen aus der Packung eines Fertigarzneimittels, soweit die verordnete Packungsgröße nicht lieferbar ist, und
- die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.
Der bislang nach Arztrücksprache mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel („aut-simile-Austausch“), wenn ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht zu bekommen ist, entfällt ab dem 01. August 2023. Ein derartiger Austausch ist dann nur noch mit Hilfe einer neuen Verordnung möglich.
Wann besteht Nullretaxationsschutz?
Hierzu wurde der Absatz 4d im §129 SGB V neu eingefügt, in dem in fünf explizit genannten Fällen Nullretaxationen nun gänzlich und bereits seit dem 27. Juli 2023 ausgeschlossen werden. Damit ist eine Nullretaxation beispielsweise ausgeschlossen, wenn die Dosierangabe auf der Verordnung fehlt oder das Ausstellungsdatum der Verordnung fehlt oder nicht lesbar ist. Auch falls Apotheken Rabattverträge nicht beachten oder die Verfügbarkeitsanfragen nicht vornehmen, darf es keine Nullretaxation mehr geben. Allerdings können die Kassen in diesen Fällen den Apothekenzuschlag nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (derzeit in Höhe von 3 % sowie 8,35 €) streichen.
Die Austauschregeln gelten auch für Privatrezepte
Dafür sorgt ein neuer Absatz 5b in § 17 Apothekenbetriebsordnung. Voraussetzung ist, dass der Arzt/die Ärztin den Austausch nicht ausgeschlossen hat und der/die Patient:in mit dem Austausch einverstanden ist.
Wenn Sie Fragen zu den Austauschregeln haben, schreiben Sie uns diese gerne über unser Kontaktformular Apothekenpraxis.